
19/09/2025 0 Kommentare
Predigt von Susanne Falcke zum 70. Geburtstag der Friedenskirche und des Posaunenchores am 7. September 2025
Predigt von Susanne Falcke zum 70. Geburtstag der Friedenskirche und des Posaunenchores am 7. September 2025
# Neuigkeiten

Predigt von Susanne Falcke zum 70. Geburtstag der Friedenskirche und des Posaunenchores am 7. September 2025
Predigt am 7.9.2025. - 70 Jahre Friedenskirche Reken
Predigttext: Apostelgeschichte 3,1-10:
Petrus aber und Johannes gingen hinauf in den Tempel um die neunte Stunde, zur Gebetszeit. 2 Und es wurde ein Mann herbeigetragen, der war gelähmt von Mutterleibe an; den setzte man täglich vor das Tor des Tempels, das da heißt das Schöne, damit er um Almosen bettelte bei denen, die in den Tempel gingen. 3 Als er nun Petrus und Johannes sah, wie sie in den Tempel hineingehen wollten, bat er um ein Almosen. 4 Petrus aber blickte ihn an mit Johannes und sprach: Sieh uns an! 5 Und er sah sie an und wartete darauf, dass er etwas von ihnen empfinge. 6 Petrus aber sprach: Silber und Gold habe ich nicht; was ich aber habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi von Nazareth steh auf und geh umher! 7 Und er ergriff ihn bei der rechten Hand und richtete ihn auf. Sogleich wurden seine Füße und Knöchel fest, 8 er sprang auf, konnte stehen und gehen und ging mit ihnen in den Tempel, lief und sprang umher und lobte Gott. 9 Und es sah ihn alles Volk umhergehen und Gott loben. 10 Sie erkannten ihn auch, dass er es war, der vor dem Schönen Tor des Tempels gesessen und um Almosen gebettelt hatte; und Verwunderung und Entsetzen erfüllte sie über das, was ihm widerfahren war.
Liebe Gemeinde,
am 20. März 1955 trifft man sich draußen vor dem Tor der neuen kleinen evangelischen Kirche hier in Reken, die damals noch nicht den Namen Friedenskirche trägt - das geschieht erst gut 25 Jahre später (im Jahr 1981). Es ist einfach die Evangelische Kirche in Reken, die am Sonntag Lätare vor gut 70 Jahren eingeweiht wird: Eine evangelische Kirche hier in Reken ist ein Novum, da braucht es keinen besonderen Namen.
Vor der Tür ihrer neuen Kirche versammelt sich die fröhliche Gemeinde. Der damals frisch gegründete Posaunenchor der Gemeinde, die damals und bis 1987 noch Teil der Kirchengemeinde Coesfeld war, spielt auf dem Kirchplatz festliche Musik.

Der Kirchschlüssel wird übergeben, vom damaligen Superintendenten Friedrich Bruns an den damaligen Gemeindepfarrer Karl Drees - auf dem Foto, das diesen Moment einfängt und das man in der Festschrift zum 50. Geburtstag dieser Kirche wiederfindet, steht auch noch als dritter im Bund der spätere Superintendent Walter Nolting.
Keine Frau ist zu sehen auf dem Foto, statt dessen drei Männer im Talar und mit dem damals üblichen Barett auf dem Kopf – die Zeiten waren wirklich andere.
Dann der Moment, in dem Pfarrer Drees die Kirchentür feierlich aufschließt: Und währenddessen singt die Gemeinde feierlich „Tut mir auf die schöne Pforte“ und dann geht die schöne Pforte auf und die Gemeinde betritt ihre Kirche, ihr neues Zuhause, das ihnen, den Heimatvertriebenen und Geflüchteten aus dem Osten ein neues geistliches Zuhause geben soll und ihnen so helfen soll, hier im fernen und sicherlich auch fremden Münsterland heimisch zu werden.
Tut mir auf die schöne Pforte, führt in Gottes Haus mich ein; ach wie wird an diesem Orte meine Seele fröhlich sein! Hier ist Gottes Angesicht,
hier ist lauter Trost und Licht.
Dieses Lied, das wiederum gut 200 Jahre zuvor von Benjamin Schmolck gedichtet worden war, bringt, so stelle ich es mir vor, die Sehnsucht nach Beheimatung, die Sehnsucht nach offenen Türen, die Sehnsucht nach Trost und Licht der Evangelischen Christinnen und Christen damals hier in Reken treffend zum Ausdruck.
70 Jahre später: Am 7. September 2025, am 12.Sonntag nach Trinitatis, sind wir hier zusammen, um den 70. Geburtstag dieser kleinen Kirche zu feiern, und auch den 70. Geburtstag des hiesigen Posaunenchores, der damals wie heute dabei ist und den Festgottesdienst musikalisch gestaltet. Und wieder, damals wie heute, ist die Rede von der schönen Pforte – nämlich im für den heutigen Tag vorgesehenen Predigttext aus der Apostelgeschichte:
Darin hören bzw. lesen wir von der Zeit ganz am Anfang der Kirche: Das Pfingstwunder in Jerusalem ist gerade erst geschehen. Die Jüngerinnen und Jünger haben die Kraft des Heiligen Geistes empfangen an jenem wundersamen Pfingsttag, viele Menschen haben sich taufen lassen und die, die sich bekehrt und sich haben taufen lassen, bilden die erste christliche Gemeinde, dort in Jerusalem:
„Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.“
So beschreibt Lukas das Miteinander der ersten Christinnen und Christen.
Die Zugehörigkeit zu dieser neuen Gemeinde hält Petrus und Johannes nun aber keineswegs davon ab, ihren gewohnten jüdischen Ritus zu pflegen: Deswegen sind sie nachmittags auf dem Weg zum Tempel.
Um die 9. Stunde, also um 15 Uhr etwa, zur üblichen nachmittäglichen Gebetszeit, gehen sie hinauf zum Tempel, um zu beten: „Tut mir auf die schöne Pforte“: Sie wählen einen der üblichen Hauptzugänge zum Tempel, nämlich „das Tor des Tempels, das da heißt das Schöne.“
Sie wollen gerade eintreten in den Tempel, hindurch durch die schöne Pforte, werden aber beim Eintritt gestört, denn im Tor sitzt jemand, der ihnen teils den Weg versperrt: Ein gelähmter Mann, der seit seiner Geburt nicht laufen kann und der seinen Lebensunterhalt durch die Almosen bestreitet, mehr schlecht als recht sicherlich, die er an der schönen Pforte zum Tempel erbittet, erbetteln muss.
Dieser namenlose Bettler wird in diesem Moment den beiden Jüngern zum plötzlichen Hindernis an der Pforte des Tempels, und zugleich ist diese Pforte zum Tempel ihm ein ständiges Hindernis, denn als versehrter Mensch hat er draußen zu bleiben, draußen vor der Tür.
Ich stelle mir vor, wie dieser Bettler am Eingang zum Tempel, mit gesenktem Blick sein immergleiches Sprüchlein aufsagt, wie ein Mantra wiederholt er es unzählige Male, aber nun wird dieses ständige Einerlei von Bitten und manchmal Empfangen plötzlich unterbrochen: Petrus spricht den Mann an: „Sieh uns an.“ Überrascht blickt der Mann auf und erhofft sich nun einen kleinen Erfolg, vielleicht einen Geldbetrag, der über die üblichen mickrigen Beträge hinaus geht.
Aber es kommt anders: „Silber und Gold habe ich nicht“, sagt Petrus zu ihm, „was ich aber habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi von Nazareth steh auf und geh umher!“
Und dann ergreift Petrus seine Hand und richtet ihn auf und zum ersten Mal in seinem Leben steht dieser Mann auf seinen eigenen Beinen. Fröhlich springt er umher. Und dann geschieht ein zweites Zum-ersten-Mal: Zum ersten Mal in seinem Leben geht er durch die schöne Pforte, betritt zusammen mit Petrus und Johannes den Tempel. Dass sich die Menschen drumherum, die ihn seit langem kennen, sehr wundern ob dieses Wunders, verwundert nicht.
Was ist das eigentlich Wundersame dieser Heilungsgeschichte?
- Dass dieser namenlose Mann am Ende geheilt ist?
- Oder: Dass er am Ende Teil der Gemeinde im Jerusalemer Tempel ist, mit hindurch kann und darf durch die schöne Pforte?
- Dass der Name Jesu sich als derartig wirksam erweist?
- Oder dass die beiden Jünger Petrus und Johannes, der Versuchung widerstehen, den Störenfried am Tempeleingang abzuspeisen, vielmehr sich ihm zuwenden und in diesem Moment geschieht das unerwartete Wunder?
Von allem ein bisschen vermutlich: Die spannende Frage für mich ist:
Was wäre geschehen, wenn Petrus und Johannes eine reich gefüllte Geldbörse bei sich gehabt hätten auf ihrem Weg in den Tempel? Wäre es dann vielleicht ganz anders gekommen? Hätten sie ihm dann vielleicht nicht auch ein paar Klimpermünzen in seinen Teller geworfen und alles wäre beim Alten geblieben? Aber sie haben kein Geld bei sich, sind selbst nicht viel vermögender als dieser Bettler am Tor, sind, genau genommen, Bettler wie er.
„Wir sind Bettler das ist wahr“ – so die letzten notierten Worte Martin Luthers. Also begegnen sich hier drei bedürftige Menschen von gleich zu gleich, begegnen sich im Bewusstsein ihres Nichthabens, im Bewusstsein ihrer Angewiesenheit auf Hilfe von woanders: „Im Namen Jesu Christi von Nazareth steh auf und geh umher!“ Es ist nicht die besondere Geisteskraft von Petrus, es ist einzig der Name, der Bezug auf Jesus, den Auferstandenen, der die Lage verändert, überraschend und heilsam verändert.
„Silber und Gold habe ich nicht“ – als ich diese Worte in der Predigtvorbereitung las, musste ich leicht schmunzeln, denn irgendwie fühlte und fühle ich mich als Kirchenvertreterin irgendwie mitgemeint und verstanden. „Silber und Gold habe ich nicht“ – natürlich ist das übertrieben als Beschreibung der Lage unserer Kirche; aber verglichen mit den zurückliegenden Jahrzehnten vergleichsweise üppiger Kirchensteuereinnahmen ist es schon so, dass unser kirchlicher Geldsäckel deutlich geschrumpft ist und damit auch die Möglichkeiten, kirchliche Arbeitsbereiche zu finanzieren und zu fördern.
Ein Kirchbau wie damals vor 70 Jahren wäre heute schwer vorstellbar. Stattdessen sind wir als Kirche vor die bittere Frage gestellt, welche Kirchgebäude wir uns noch werden leisten können, und jeder Abschied von jeder Kirche, die wir abgeben oder aufgeben, tut weh.
Und umso mehr macht mir dieser Predigttext für die Zukunft Mut: Denn gerade in dem Moment, in dem Petrus und Johannes am Eingang des Tempels eben nicht das dicke Portmonee zücken können, geschieht hier etwas Unerwartetes und Heilsames. Es geschieht allein im Namen Jesu, allein im Bezogen-Sein auf ihn und nicht aus der Superkraft und den reichen Möglichkeiten der zwei Apostel.
Dietrich Bonhoeffer, der im Kampf gegen Hitler vor gut 80 Jahren sein Leben verlor, brachte in seinem Glaubensbekenntnis diese wichtige Glaubenssystematik so auf den Punkt:
„Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.“
So ist es – nicht nur was die nötige Widerstandskraft wider das Böse in der Welt angeht. Alles, was im Glauben, den Unterschied macht, was unser Leben heilsam verändert, was Menschen trotz allem Halt und Kraft gibt, in allen Widrigkeiten dennoch an das Gute zu glauben und nicht in Zynismus sich selbst abzukapseln, alles das niemals Menschenwerk, sondern es ist Gottes Kraft in und unter uns, Gottes Kraft, die spannenderweise, gerade da wirksam wird, wo wir mit unserem Latein und unseren Möglichkeiten am Ende sind.
Diese Erfahrung verbindet uns miteinander und über Generationen hinweg.
Diese Erfahrung schafft eine Augenhöhe eigener Art: „Wir sind Bettler das ist wahr“ – so, wie gesagt, Martin Luther, oder wie Paulus es sagt: „Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.“ (Galater 3,28.)
„Tut mir auf die schöne Pforte“: Diese Pforte tat sich am 20. März 1955 den auf dem Kirchplatz wartenden Christinnen und Christen auf.
Diese Pforte tat sich damals im Tempel am Ende der Geschicht´ dann auch jenem namenlosen Mann auf: Gemeinsam lobt er zusammen mit Petrus und Johannes im Tempel Gott – so lesen wir es im Predigttext.
„Tut mir auf die schöne Pforte“: Schöne Pforten, Kirchtüren und auch Tempeltore können immer beides sein: Einladend und Ausladend. Wie aber schaffen wir es, dass unsere Kirchtüren nicht zu einer Barriere werden für Menschen, die sich nach Gottes Angesicht, nach seinem Trost und Licht sehnen? Wie schaffen wir es, einladend Kirche zu sein in dieser Gegenwart, die eine Inflation an sinnstiftenden Angeboten bereithält?
Diese Frage sollten wir in uns wachhalten und immer wieder stellen als Kirche, die wir um eine gute Zukunft ringen, gerade in einer Zeit, da das Silber und Gold deutlich knapper wird. Das entscheidende aber bleibt: „Im Namen Jesu Christi von Nazareth steh auf und geh umher!“
Es ist seine Kraft, auf die wir setzten und setzen,
- damals im Tempel in Jerusalem,
- damals vor 70 Jahren in Reken
- und auch heute an diesem Tag des dankbaren Rückblicks.
Es ist er, der Derselbe ist im Wandel der Zeit, gestern heute und in Ewigkeit. Amen.
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